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Zivilisation nach dem Modell der Philosophie lebender Systeme Rudi Zimmermans
1. Evolution lebender Systeme geht nach den von Darwin erkannten 2 Prinzipien vor sich, die ich als Überproduktion von Nachkommen und Selektion bezeichne. Akteur der Überproduktion von Nachkommen sind die lebenden Systeme der Organisationshöhe Individuum. Sie agieren im Dienst des lebenden Systems höherer Ordnung, der Art (System Art) bzw. im Dienst ihrer Gene. Individuen bezeichne ich daher auch als selbstkopierende Datenträger. Im Bereich der Tiere und Pflanzen sehen wir zunächst ungeschlechtliche Vermehrung, daraus evolviert zweigeschlechtliche Vermehrung, nach der Energiegewinnung der Individuen unterscheiden wir Pflanzen und Tiere. Kleinste Einheit lebender System ist die Zelle. Es gibt Einzeller und Mehrzeller (und Vielkerner). Mehrzeller – wie auch der Mensch – sind ein organisiertes System aus Zellen und anderen nichtlebenden Elementen, wie z.B. dem zellexternen Körperwasser. Den Akteur der Selektion bezeichne ich als Selektor. Selektor des Überschusses an Nachkommen ist einerseits im wesentlichen die Umwelt des Systems. Dies sind im Pflanzen- und Tierreich erstens die physikalische Umwelt (Tageszeiten, Wetter und Klima), zweitens die umgebenden lebenden Systeme, vor allem pflanzenfressende und fleischfressende Tiere. Andererseits wirkt Konkurrenz selektierend, wenn 2 lebende Systeme um eine Ressource wetteifern. Selektor ist hierbei jedoch nicht die überlegene Eigenschaft eines Konkurrenten, sondern der Ressourcenmangel, also wiederum die Umwelt (auf der Ebene der Selektion durch den "Markt" im Rahmen der Zivilisation die knappe Kasse des Käufers; nicht das bessere Produkt setzt sich auf dem Markt durch, sondern das billigere, das rücksichtslose System wird belohnt – s.u.)
2. Zivilisation ist die Entwicklung köperexterner Organe der Tierart Mensch. Zivilisation erfolgt nach den Prinzipien wie die Evolution, nämlich Überproduktion und Selektion. Zivilisation ist daher die Fortsetzung der Evolution. Akteur der Zivilisation ist das menschliche Individuum, das ich als System Mensch bezeichne, da es nicht nur aus seiner lebenden Materie besteht, sondern auch aus seiner nichtlebenden Materie, die sich nicht nur innerhalb des lebenden Körpers befindet, sondern auch außerhalb.
3. Akteur (Produzierer) des Überschusses an körperexternen Organen (Produkten wie z.B. Werkzeugen, Maschinen) ist das menschliche Individuum, das System Mensch. Dieses hat innerhalb des System Menschheit (=Tierart Mensch) die gleiche Position wie die Zelle im System Mensch, Pflanze oder Tier. Lebende Systeme sind – wie die nichtlebenden Systeme – hierarchisch gegliedert. Ganz im Sinne des Holon-Modells Arthur Koestlers. Körperexterne Organe können von jedem Menschen genutzt werden, sie funktionieren bei jedem Menschen gleich, wie auch die körperinternen Organe bei jedem Menschen (und beim Tier) gleich funktionieren. Selektor des Überschusses menschlicher Produkte, die als Waren getauscht werden können, ist der Mitmensch des Warenherstellers. Dieser Mitmensch ist zunächst das Mitglied des gleichen Kollektivs, der Urhorde, des Clans, später auch der Mensch der Nachbarkollektive, inzwischen sind es alle Mitmenschen (Globalisierung).
4. Menschen leben in Gemeinschaften oder Gesellschaften (Clans, inzwischen Staaten) zusammen, also in lebenden Systemen höherer Ordnung, die zunächst durch familiäre (biologische) Beziehungen zusammengehalten werden. In diesen Gesellschaften entstehen Sprache und Geld als neue Systemeigenschaften (Mittel der Selbstorganisation des Systems, "Emanenz"). Sprache dient dem Austausch von Informationen, der Herstellung von neuen Beziehungen innerhalb der Gruppe und der Abgrenzung von anderen konkurrierenden Gruppen und der Koordinierung des Gruppenverhaltens. Ein lebendes System verhält sich nach außen als Einheit, dieser innerer Zwang zum gemeinschaftlichen Handeln und zur Koordinierung des Handelns, zur Aufgabenverteilung – jagen, sammeln usw. – schafft Sprache. Die Überproduktion von Waren (zunächst durch ihren Erfinder selbst) und die Möglichkeit ihrer Nutzung durch Jedermann schafft den Tausch und damit das Geld als Tauschmittel. Selektor der Waren ist der Mitmensch, der Käufer. Auch heute ist das Individuum als Käufer der Selektor, der in seiner Gesamtheit ("Markt") darüber entscheidet, welches Produkt niedrigen oder gar keinen Absatz findet und vom Markt genommen werden muss und welches Produkt gebraucht wird und sich evolvieren kann. Die Entwicklung von Waren geht durch diese Überproduktion und Selektion nach den gleichen Regeln vonstatten wie die Entwicklung neuer Arten im Tierreich. Es bilden sich neue Autofirmen, der Computer entwickelt sich durch diese Überproduktion und Selektion durch den Käufer ebenso weiter und bildet neue "Arten" wie sich im Tierreich neue Arten bilden und wieder verschwinden. Voraussetzung für eine Selektion nach Qualitätskriterien ist allerdings die Verfügungsgewalt über ausreichend Geld. Leidet der Markt (die Käufersumme) an Geldmangel, selektiert er das billigste Produkt, also schlechte Qualität, die beispielsweise ohne Rücksicht auf die Umwelt produziert wird. Der zivilisatorische Prozess geht dann in Richtung Vernichtung des Systems Erde. Auf diesem Weg befindet sich die Zivilisation gegenwärtig.
Rudi Zimmerman Gesellschaftsphilosoph |