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Das Geld
Gibt es irgendwelche Gesetzmäßigkeiten, nach denen das Geld, die kondensierte Selbstentfaltung, auf die Individuen eines Staates verteilt wird?
Staat und Individuen haben beide das Interesse, zu überleben (Selbsterhaltung) und sich möglichst weit auszubreiten und zu entfalten (Selbstentfaltung). Das heißt in diesem Fall, es gibt Streit um das Geld. Der Staat will möglichst viel für sich behalten und das Individuum seinerseits will möglichst viel für sich behalten. Da der Staat die Macht hat - er legt fest, was Recht und Unrecht ist und bestimmt die Höhe der Steuern und Abgaben und das Individuum schwach und hilflos ist -, handelt es sich zunächst um ein Dominanz-Verhältnis. Das System Staat ist "dominant" und das System Individuum ist "subdominant" (Watzlawick). Es handelt sich aber auch um ein Abhängigkeitsverhältnis. Der Staat ist von dem System Individuum abhängig. Ohne Individuen kann das System Staat nicht existieren. Das System Mensch kann sich seinerseits einen anderen Staat suchen. Letzteres passiert in den letzten Jahrhunderten und Jahrzehnten vermehrt. Nach der Entdeckung Amerikas durch die Europäer suchten sich Individuen, die mit ihrem Staat unzufrieden waren, massenhaft einen anderen Staat. Sie verließen ihre Systeme Staat in Europa, gingen nach Übersee und gründeten dort nach einer gewissen Übergangszeit und nachdem sie die dort lebenden Menschen massenhaft getötet und beraubt hatten, eigene Staaten. Die neu gegründeten Staaten waren natürlich wieder Staaten, die den Verhaltensgesetzen des Systems Staat unterliegen. Eine Massenansammlung von Individuen gibt es naturgesetzlich nicht. Wenn mehrere Individuen zusammenleben, entsteht aufgrund der genetischen Steuerung dieser Individuen gesetzmäßig ein Gebilde höherer Ordnung (organisierte Gruppe, Staat), das sich als Art verhält. Das an dieser Stelle aber nur nebenbei. Ursprünglich haben die Individuen, die sich beispielsweise in Nordamerika zusammengefunden hatten, vor, Individuen zu bleiben. Die Staatsbildung zunächst verschiedene Staaten, dann Zusammenschlüsse, Auseinandersetzungen zwischen Nord- und Südstaaten und Bildung der USA war kein planerisches Werk von Individuen. Diese hätten etwas ganz anderes geplant. Es war das Werk der Gene und der sie repräsentierenden Systeme Staat. Heutzutage ist es relativ verpönt, Massenmorde an Bewohnern eines Gebietes zu begehen, die waffentechnisch unterlegen sind. Seinerzeit wurden diese von den waffentechnisch überlegenen Europäern als eine Art Tier definiert wie auch die schwarzhäutigen Bewohner Afrikas. Diese Definition hat ihren Sinn darin, das Gewissen zu beruhigen und Begehung von Massenmorden zu entschuldigen. Genau genommen ist allerdings gar kein schlechtes Gewissen vorhanden, das beruhigt werden muss. Bei Begehung derartiger Massenmorde handelt das Individuum nämlich gar nicht als Individuum, sondern als Funktionsgehilfe eines Systems Staat. Wenn das System Mensch im Auftrag und im Interesse seines Staates tötet, hat es selbstverständlich das Gefühl, legal zu handeln. Es handelt nicht als Selbst, sondern als Werkzeug. Es handelt als Instrument seiner Gene und meint als Erklärung, es handele in höherem Auftrag, auf Befehl seiner Vorgesetzten usw. Ein schlechtes Gewissen kommt eventuell hinterher, wenn es von anderen auf das Unmoralische seines Handelns hingewiesen wird.
Also: vor einigen hundert Jahren noch konnten die Individuen sogar einen eigenen Staat gründen. Dies geht inzwischen nicht mehr. Aber auch heute haben die Individuen die Möglichkeit, ein System Staat, das ihnen nicht gefällt, zu verlassen. Sie wandern eben aus und ziehen in einen anderen Staat um. Auf diese Weise werden gerade die europäischen Staaten von Individuen aus unterentwickelten Ländern gern als neuer Aufenthaltsort ausgewählt. Im Prinzip können alle Individuen eines Staates diesen Staat verlassen, dann gäbe diesen Staat nicht mehr, aber noch alle Individuen. Dies nur zur Illustration der Behauptung, dass das System Staat abhängig ist von Individuen. Das Individuum kann zwar nur vorübergehend ohne Staat existieren und lebt mit Staat selbstverständlich komfortabler als ohne, aber es ist grundsätzlich unabhängig vom Staat. Und dies macht seine Stärke aus. Es ist eben nicht nur in einer subdominanten Position unter Berücksichtigung seiner Schwäche und Hilflosigkeit, sondern andererseits auch stark unter Berücksichtigung der Abhängigkeit des Staates von ihm. Ohne Individuen können sich die Gene nicht vermehren.
Der Ausgang des Kampfes der Individuen und des Staates um die Verteilung des Geldes ist also nicht so einfach vorauszusagen. ...... |