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Die Minne Die Definition eines Grundgedankens meiner Philosophie
Die Minne ist in ihrem Ursprung eine ritterliche Verhaltensregel des frühen Mittelalters. Der edle Ritter suchte sich eine Dame (des Hofes, im Idealfall die Prinzessin) und nahm diese einerseits unter seinen Schutz, indem er sexuelle Ansinnen oder Übergriffe der seinerzeitigen “Machos” abwehrte um sie rein zu halten und sich mit diesen dann herumprügeln musste (was natürlich ein lebensgefährlicher Job war), andererseits bestand siene Aufgabe darin, ihre geistige und körperliche Schönheit in Dichtungen und Gesängen zu preisen.
Der Begriff "Minne" ist abgeleitet aus dem lateinischen "mens", was nach Georges1 die Gesinnung, Gemütsart, die Seele des Menschen beschreibt (und den inneren Sinn eines Wortes, die Bedeutung). Er steht für die höheren Seelenkräfte, das Geistige, Denkende, die Gesinnung und speziell für das mahnende Innere, das Gewissen. Bezeichnend für den ursprünglichen lateinischen (und griechischen) Inhalt des Begriffs "mens" ist die lateinische Weisheit: Die Seele des Menschen ist sein ICH (mens cuiusque is est quique). Der Gegensatz des Begriffs "mens" ist der Begriff "animus", der das Tierische, Begehrende, die Sinnlichkeit, das Empfindende, aber auch die Lebenskraft bezeichnet. Die Verschiebung dieser ursprünglichen Bedeutung des Begriffsinhalts von "Minne", der ja das Geistige im Menschen beschreibt, zum späteren Gebrauch des Wortes im Sinne körperlicher Liebe, der Sexualität, ist demnach eine Verkehrung ins Gegenteil.
In meiner Philosophie verstehe ich den Begriff der Minne im ursprünglichen griechisch-lateinischen Sinn des Wortes “mens”. Ich verwende ihn für eine Haltung, die sich gegen die Erniedrigung der Frau zum Lustobjekt wendet und das Weibliche als Alternative zur aggressiven männlichen Art der Problemlösung ansieht. Diese Bedeutung steckt auch in dem Begriff der “Verehrung” (die Ehre der Frau bewahren), der nicht nur wichtig ist zum Verständnis der Minne, sondern auch in der Gegenwart zum Verständnis nahöstlicher kultureller Tradition. Die Minne bezeichnet damit das Verhältnis eines ritterlichen Mannes zu einer Dame, die als gleichwertiger Mensch respektiert und verehrt wird, vielleicht gerade wegen ihrer weiblichen Problemlösungsstrategie.
Da wir in einer Zeit leben, in der gerade letzteres Gang und Gäbe ist, nämlich den weiblichen Körper in der Öffentlichkeit nackt darzustellen und in der Werbung als Reizobjekt zum Verkauf minderwertiger Produkte zu benutzen, ist diese Definition des Weiblichen als Dame und des Mannes als ihres ritterlichen Bewunderers eine realitätsferne Idealisierung, die wohl auch Cervantes Romanfigur des Don Quijote (oder Don Quichotte) unterstellt werden kann. Das hindert mich jedoch nicht, die gegenwärtige gesellschaftliche Entwürdigung der Frau als nur vorübergehenden Zustand anzusehen, ihn aber nicht als Dauerzustand zu akzeptieren. Wir erleben tagtäglich, wohin uns die männliche "Überlegenheit" führt, die auf rücksichtsloser Aggressivität beruht, nämlich zur Naturzerstörung, zum Untergang der Menschheit und des Lebens überhaupt. Aus diesem Irrweg kann die Menschheit nur durch das weibliche Denken und Handeln herausgeführt werden, aus einer Übernahme der Steuerung des Verhaltens der Menschen durch das gewaltfreie Weibliche, das die Dame (die frouwe) verkörpert, die in der Minne verehrt und besungen wird. Es gibt übrigens auch ein männliches Vorbild, das diesen Lösungsweg schon lange vor der Minne propagiert hat: Jesus Christus nämlich hat, wenn man den Evangelien glaubt, den Weg der Gewaltlosigkeit gepredigt und hat sich damit übrigens auch vom Weg seines geistigen Vaters distanziert, der die Erde mit brutaler körperlicher Gewaltanwendung retten würde, wie man der Apokalypse entnehmen kann.
Insofern verstehe ich mich als Minne"sänger" ohne (vergängliche) akustische Zeichen, als Ritter der Schrift, der dauerhaft optisch gespeicherten Zeichen - meinetwegen auch als Don Quichotte der Gegenwart (zum Glück steht mir als moderne “Rosinante” mein Laptop mit Internetanschluss zur Verfügung). Das Wort ist nämlich die Waffe, die stärker ist als jedes Gewehr. Man kann zwar den Sprecher (oder den Schreiber) einsperren oder erschießen, nicht aber das Wort. Der geistige Inhalt überlebt seinen Verfasser.
Die “Philosophie lebender Systeme” ist - so gesehen - meine Art der Minne.
Rudi Zimmerman, Berlin den 22.02.2012
1 Georges Lateinisch-Deutsches Wörterbuch. Druck: Bär und Hermann in Leipzig. Das »Ausführliche lateinisch-deutsche Handwörterbuch« des Gothaer Gymnasialprofessors und angesehenen Lexikographen Karl Ernst Georges (1806–1895) |